Formaldehyd
Die „Allround-Chemikalie“ Formaldehyd ist ein wasserlösliches, sehr reaktionsfreudiges, säuerlich-stechend riechendes Gas. Es gehört zur Gruppe der Aldehyde und kommt meist in 35 %iger wässriger Lösung als Desinfektionsmittel Formalin (flüssig) in den Handel. Als Formalin ist es sehr gesundheitsschädlich. F. ist mit einem Richt- oder Grenzwert in der Raumluft in Höhe von 100 µg/m3 belegt.
In der Natur kommt Formaldehyd zum Beispiel in Säugetierzellen beim normalen Stoffwechsel als Zwischenprodukt vor: Im Menschen werden auf diese Weise pro Tag etwa 50 Gramm gebildet und wieder verstoffwechselt. Das Blut von Säugetieren enthält pro Liter ständig zwei bis drei Milligramm Formaldehyd. Weiterhin entsteht Formaldehyd auch bei der Photooxidation in der Atmosphäre. Auch in Früchten wie Äpfeln oder Weintrauben kommt Formaldehyd natürlicherweise vor. Ebenso kommt Formaldehyd natürlicherweise in Holz vor und diffundiert in geringen Mengen auch nach außen.
Formaldehyd entsteht außerdem bei praktisch allen unvollständigen Verbrennungen.
Formaldehyd gehört auch zu jenen Verbindungen, die mittels Radioastronomie im Weltall nachgewiesen werden konnten.
Toxikologische Eigenschaften:
Da Formaldehyd wie alle Aldehyde ein starkes Reduktionsmittel ist, wurde es früher zur Keimabtötung verwendet (Formalintabletten).
Formaldehyd kann bei unsachgemäßer Anwendung Allergien, Haut-, Atemwegs- oder Augenreizungen verursachen. Eine Kanzerogenität (Krebs erzeugende Wirkung) wird vermutet, in zahlreichen epidemiologischen Untersuchungen konnte jedoch kein erhöhtes Krebsrisiko festgestellt werden.
Dennoch ist Formaldehyd nach der DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe bislang als Stoff mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial (Kategorie 3) eingestuft. Ein Grund hierfür ist, dass im Tierversuch mit Ratten Formaldehyd nachweislich karzinogene Wirkung gezeigt hat, allerdings erst bei extrem hohen Konzentrationen ab 6 ml/m³. Solche Konzentrationen wären für den Menschen schon nach kurzer Zeit unerträglich: zunehmendes Unbehagen, Tränenfluss, Reizung von Augen, Nase und Kehle würden den Aufenthalt in einer derart kontaminierten Umgebung unmöglich machen.
Akute Lebensgefahr (toxisches Lungenödem, Pneumonie) besteht ab einer Konzentration von 30 ml/m³. Die meisten Vergiftungen treten dann auch nicht durch direkten Kontakt mit Formaldehyd auf, sondern durch das Trinken von Methanol in minderwertigen Alkoholgetränken. Dabei wandelt sich das Methanol im Körper zunächst durch Alkoholdehydrogenase in Formaldehyd, dann schnell durch Aldehyddehydrogenasen in Ameisensäure um. Diese wird nur sehr langsam metabolisiert und kann zur Azidose führen.
Der Formaldehyd selbst denaturiert Netzhautproteine, was zur Erblindung führen kann. 2004 stufte die Weltgesundheitsorganisation WHO die Substanz Formaldehyd als „krebserregend für den Menschen“ (CMR-Gefahrstoff) ein. CMR-Stoffe (Carzinogene, Mutagene und Reproduktionstoxische Stoffe) zählen zu den besonders gefährlichen Stoffen und sollten durch weniger gefährliche Stoffe substituiert werden.
Nach einer neuen Einschätzung des Berliner Bundesinstituts für Risikobewertung ist Formaldehyd „Krebsauslösend für den Menschen“. Bisher ist die Chemikalie gemäß der EU-Richtlinie 67/548/EG, Anhang I nur als „möglicherweise Krebs erregend“ (Kategorie 3) klassifiziert.
Vorkommen:
Bestimmte formaldehydhaltige Materialien (unter anderen Holzwerkstoffe, Bodenbeläge, Möbel und Textilien) können durch Ausgasung eine Kontamination der Atemluft in geschlossenen Räumen bewirken. In den achtziger Jahren sind in diesem Zusammenhang insbesondere Spanplatten und Sperrholz, zu deren Herstellung Aminoplaste als Bindemittel eingesetzt wurden, ins Gerede gekommen.
Es sind jedoch zum einen heute viele formaldehydfrei verklebte Holzwerkstoffe und Möbel im Handel erhältlich. Zum Anderen wurde aber auch die Emissionen in den auf Formaldehyd basierenden Holzwerkstoffen deutlich reduziert. Die Schadstoffsanierung formaldehydbelasteter Gebäude ist aber vor allem bei älteren Holzfertighäusern nach wie vor ein großes wirtschaftliches Thema.
Eine weitere wichtige Quelle für die Emission von Formaldehyd sind unvollständig ablaufende Verbrennungsprozesse. Diese finden sich beispielsweise in Verbrennungsmotoren von Kraftfahrzeugen, in Gießereien und bei der Herstellung von Kunststoffartikeln. Auch beim Rauchen entsteht auf diese Weise Formaldehyd, welches nicht unerheblich zur Belastung der Luft beiträgt. Im Gesamtrauch einer einzigen Zigarette finden sich etwa 1,5 mg Formaldehyd.