Der „Sensibel-Fall“:
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Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Kurs „Meister des Raumklimas“,
hier kommt unser 4. Praxisfall, bei dem es um eine Büroraumsanierung für eine sensible Mitarbeiterin geht. Sie werden feststellen, dass dieser sich etwas von den bisherigen Fällen unterscheidet.
Es gibt für Materialqualität verschiedene Informationsgrundlagen. Wir unterscheiden dabei grob eine Deklarationsqualität, eine ökologische (ökonomisch, umweltbeeinflussend, sozialethisch, nachhaltig, regional etc.), die material- und bauphysikalische, die hygiene- und gesundheitsbezogene Qualität von Bauprodukten.
Wir wollen in diesem Fall eher die bauphysikalische/bauchemische (Feuchteausgleichwirkung, Emissionen) und die hygiene- und gesundheitsbezogene Qualität betrachten, die das Raumklima oder die Gesundheit der Auftraggeber beeinflussen können. Für eine Qualitätsbetrachtung benötigt man zu allererst eine möglichst genaue Produktdeklaration inkl. technischem Merkblatt und Sicherheitsdatenblatt. Zusätzliche Hinweise geben Prozessbeschreibungen über Rohstoff- und Herstellungs- und Lebenszyklusangaben wie in der EPD (Environmental Product Declaration = Umwelt-Produkt-Deklaration). Weitere Hinweise über Emissionsverhalten (Schadstoffabgaben) erhält man über die Prüfzeichen E1plus, EC1plus, Blauer Engel, natureplus etc..
Dieser Fall einer extrem empfindlichen Person kommt zwar im Berufsalltag selten vor, jedoch dient er dazu, dass man bei der Auftragsanbahnung und Angebotserstellung selbst einzelstoffbezogene „Materialunverträglichkeiten“ zumindest abfragen und ausschließen sollte, damit man am Ende die Baustelle erfolgreich abschließen kann.
MdR fragt Kunden: „Müssen wir bei der Materialauswahl in unserem Angebot bestimmte Stoffe vermeiden, weil Sie darauf reagieren?“ Man könnte bei Normalverbrauchern auch fragen: „Haben Sie besondere Qualitätsanforderungen (Büro, Schulzimmer, KiZi, Schl.Zi.) an Ihr zukünftiges Raumklima und eine Minimierung von beispielsweise Luftschadstoffen oder an einer optimalen Feuchteausgleichswirkung und Schimmelvermeidung?“
Protagonisten des Falls:
- Frau Müller (Allergikerin, Büroangestellte der Firma)
- Herr Schlosser (AG Arbeitgebervertreter)
- Herr Amthor (AN Maler, Stuckateur, Raumausstattung)
- IQUH (Fachbauleitung: Materialvorgaben, Pflichtenheft u. Ausschreibung)
Herzliche Grüße
Karl-Heinz Weinisch/ Dr. Roland Falk



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1.1. Erfassung Problemstellung
Praxis-Tipp
„Die Beratung von Bauherrschaften die Standardansprüche an das Innenraumklima haben sind mit Standardprodukten inkl. normalen Zulassungen und Emissionsprüfzeugnissen in der Regel zufrieden.
Stellen Kunden hohe Anforderungen an die Raumklimaqualität sollten Premiumprodukte angeboten werden, die auch über erweiterte Inhaltsstoffnachweise und gute Emissionsprüfzeugnisse verfügen.
Sind Personen sehr empfindlich wie Frau Müller sind sehr hohe Anforderungen an die Baustoffe und die Ausführung (Premium plus) zu stellen. Werden die Planungs- und Überwachungsleistungen wie in diesem Fall bezahlt, dann macht es Sinn, dass ein Fachplaner die Handwerker unterstützt und die Qualitätskontrolle übernimmt, damit alle Beteiligten die Vorgehensweise genau beschrieben bekommen und damit auch rechtlich abgesichert sind.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH
Lern-Hinweise
Die Rolle von Baustoffen
Umwelt- und gesundheitsverträgliche Bauprodukte
1.2. Befragung per Telefon/ Email
Praxis-Tipp
„Ich empfehle, die Telefonate so kurz wie möglich zu halten, da ich in der Vergangenheit zu oft eher als Seelsorger benutzt wurde, wenn diese Menschen spürten, dass man sie ernst nimmt und zuhört.
Da solche Telefonseelsorgen jedoch nicht unserem Berufsbild entsprechen und die Zeit auch nicht bezahlt wird, sollte man Telefongespräche minimieren und den Informationsausstausch auf die E-Mail Kommunikation verlagern.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH
Lern-Hinweise
25 Leitlinien der Baubiologie
1.3. Befragung vor Ort
Praxis-Tipp
„Der Preis spielt erfahrungsgemäß in solchen Fällen eine untergeordnete Rolle.
Anbietende Fachbauleiter oder Handwerker sollten nicht zu knapp kalkulieren, da in der Regel ein höherer Zeitaufwand einzukalkulieren ist, als bei einem Standard-Bauvorhaben.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH
Lern-Hinweise
Gesundes Arbeitsumfeld – Aspekte des DGNB Zertifizierungssystems

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2.1. Sichtprüfung
Praxis-Tipp
„Alle Anwesenden am Ortstermin waren sichtlich mit dem Thema überfordert und erleichtert, dass man dieses Projekt als aussichtsreich bewertet hatte.
Ein Alleinstellungsmerkmal für MdR in diesem Themengebiet ist die umfassende Beratung der Baustoffqualitäten und die Parameter und die Zielwerte für ein gutes Raumklima und eine gesunde Raumluft.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH
2.2. Geruchsprüfung
Praxis-Tipp
„Für eine Bewertung der Raumluft sind diese VOC Reduzierungen enorm wichtig.
Ein weiterer wichtiger Faktor für ein gutes Raumklima ist die Feuchteausgleichswirkung der Oberflächen. Diese hängt davon ab, ob durch die innere Materialstruktur die Feuchtigkeit gut aufgenommen aber auch genauso gut wieder abgegeben werden kann.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH
Lern-Hinweise
2.3. Orientierende Messung(en)

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3.1. Ergebnis-Aufbereitung
Lern-Hinweise
- Planung mit den Verantwortlichen und Abstimmung der Lösungs- und
Sanierungsschritte – Moderation durch IQUH - Büro Umbaumaßnahmen – Festlegung der Maßnahmen
- Maßnahmenkatalog / Lastenheft für Angebotsabgabe
- Vergabe, Begleitung der Umbaumaßnahmen
- Kontrolle und evtl. Qualitätssicherung durch eine Raumluft-Freimessung auf VOC, Schimmel etc.
MCS = Multiple Chemikalien Sensibilität/Sensitivität auf einen Großteil
der Duft- und Lösungsmittel aber auch auf Biozide, Konservierer, Farb- und Dichtstoffe.
Allergieauslösende Stoffe = Bauinhaltsstoffe, die besonders von Allergikern gemieden werden sollten.
Volldeklaration der Inhaltsstoffe = Hersteller müssen alle Inhaltsstoffe in ihren Baustoffen mit CAS Registrierungsnummern angeben, für eine eindeutige chemische Zuordnung.
3.2. Protokoll verfassen
Praxis-Tipp
„Wie schon vorher angedeutet ist nur ein gutes Netzwerk von Fachleuten und Handwerkern in der Lage solch hohe baulichen Qualitätsanforderungen zu erfüllen.
Ebenso tragen aber auch Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit zum Gelingen bei.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH

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4.1. Sanierungsvorschläge ausarbeiten
Praxis-Tipp
„Trocknungsgerüche nach der Verarbeitung. Fliesenbeschichtung bei der Fertigung abpadden nach der Verlegung. Glasierte Fliesen sind vorteilhafter und müssen nicht gepflegt werden. Reinigungsmittel müssen vom GU mit beraten werden. Neutralreiniger von der Fa. Sonett bei starker Verschmutzung, sonst nur Wasser verwenden.
Möglichem Geruch aus dem Estrichbereich, die in die Raumluft gelangen können, werden mit Weißkalkhydrat/Perlite Gemisch abgehalten, das in die Randfuge eingefüllt wird.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH
Lern-Hinweise
Die DGNB Qualitätsziele für gesundes und nachhaltiges Bauen wurden in den vorigen Lernhinweisen vorgestellt.
Zur Ergänzung werden noch die Qualitätsziele des Bundesbauministeriums vorgestellt.
Die Texte sollen nicht gelernt oder komplett gesichtet werden, sondern Sie dienen der Vollständigkeit halber als Infoquelle und um Ausschnitte in Berichten zitieren zu können.
Ökologische Baustoffauswahl
BNB-Leitfaden Nachhaltiges Bauen
4.2. Empfehlungsschreiben
Praxis-Tipp
„Wurden die Gesamtkosten vom Fachplaner am Anfang richtig eingeschätzt, ist am Ende bei der Nachkalkulation für alle Beteiligten ein zufriedenstellender Gewinn übriggeblieben.“
Karl-Heinz Weinisch
IQUH
Lern-Hinweise
Ergebnis:
Der Raum kann auf Grund der verwendeten emissionsarmen Baustoffe und den niedrigen VOC Messwerten freigegeben werden. Das Lastenheft wurde umgesetzt und es wurden lt. ärztlichen Anweisungen die Anwendung von Parfümen, Lösungsmitteln in Farben und Lacken untersagt. Die Messraumvorbereitung wurde gem. Lastenheft umgesetzt.
Wäre die Raumtemperatur im normgerechten Bereich von 21-24 °C gelegen, wären die VOC Werte noch niedriger ausgefallen. Bei ca. 28 °C Raumtemperatur fallen die Messwerte erfahrungsgemäß wesentlich höher aus, daher sind die ermittelten VOC – Werte als sehr niedrig einzustufen.
Zudem kommt hinzu, dass die Messung kurz nach Umbaufertigstellung durchgeführt wurde, was erfahrungsgemäß wegen hohen Anfangsemissionen kurz nach Verarbeitung höhere Messwerte zur Folge hat. Man kann davon ausgehen, dass die VOC-Werte (s. Tabelle) noch weiter sinken.
Gemäß unseren langjährigen Messerfahrungen mit Allergikern und duftstoff- und chemikaliensensiblen Personen bietet der Arbeitsplatz im Vergleich zu Standardräumen eine sehr gute (VOC-bezogene) Raumluftqualität. Personenbezogene Unverträglichkeiten gegenüber Einzelstoffen kann diese Einschätzung nicht berücksichtigen.
Die Gummimatte im Eingangsbereich war geruchsauffällig und könnte Auswirkungen auf den geprüften Büroraum haben.
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